Hackenkreuz, zerschlagenWeil er Anti-Nazi-Symbole vertrieben hat, ist schon mal ein Versandhändler vom Stuttgarter Landgericht zu 3600 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Der Handel mit T-Shirts, auf denen zerschlagene Hakenkreuze zu sehen sind, verstoße gegen das Verbot der Verwendung von Nazi-Symbolen: Wir verstoßen jetzt auch mal
Für den leitenden Oberstaatsanwalt war die Sache klar: Er will keine Hakenkreuze in der Öffentlichkeit sehen. Er will nicht, dass sie in der Gesellschaft wieder salonfähig werden. Und was wäre, wenn ausländische Besucher die Piktogramme missverstehen? Was wäre, wenn die neue Rechte die Zeichen für ihre Zwecke missbrauchte? Dabei beruft er sich auf Paragraph 86a des Strafgesetzbuches, der die Verwendung von Symbolen aus der NS-Zeit verbietet. Seinem Verständnis nach sind die Produkte des Versands von Kamm ein klarer Verstoß gegen das Gesetz. Doch Kamm, Geschäftsführer der Nix Gut GmbH in Winnenden bei Stuttgart, ist alles ander, denn ein Faschist. Im Gegenteil. Seit seiner Jugend engagiert er sich gegen die rechte Szene und Gewalt.

„Wir haben nicht die dahinter stehende Absicht zu verurteilen, sondern die Tat“, sagt Häußler vor dem Prozeß. Er ist sich sicher, der Fall Kamm wird zu einer richtungsweisenden Grundsatzentscheidung führen. Über hundert Anklagepunkte hat er auf seiner Agenda. „Ein T-Shirt schwarz, mit einer weißen Faust vor einem teilweise verdeckten Hakenkreuz.“

Auf Antrag der beiden Verteidiger Thomas Fischer und Michael Wolf können auch die Prozeßbeobachter die Shirts, Jacken, Aufkleber und Buttons in Augenschein nehmen. Dabei entpuppt sich das teilweise verdeckte Hakenkreuz als ein von der Faust zerschmettertes. Shirt für Shirt wird aus den Kartons geholt, ins Publikum gehalten und dann vom Vorsitzenden Richter wieder sauber zusammengefaltet.

1aantifa0-220.jpgAngefangen hat die Geschichte 2002 in Isny im Allgäu. Bei der obligatorischen Reinigung im Zimmer ihres Sohnes entdeckt eine Mutter den Katalog des Nix Gut Versands und erstattete Anzeige. Als zuständige Staatsanwaltschaft übernimmt man in Stuttgart den Fall. Es folgen zwei Hausdurchsuchungen und im August 2005 die Beschlagnahmung von 17.000 Artikeln aus dem Sortiment des Unternehmens. Für Kamm und seine 15 Mitarbeiter, von denen sechs schwerbehindert sind, bedeutet die Beschlagnahme einen Angriff auf ihre Existenz. Das zuständige Landgericht mit Richter Wolfgang Küllmer läßt die Anklage erst nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu.

Jetzt fragt Kamm im Prozess: „Warum sitze ich hier?“ Selbst der Verfassungsschutz hält Symbole, wie Nix Gut sie vertreibt, für unbedenklich. Eine Sondereinsatztruppe zur Bekämpfung des Rechtsextremismus trägt ein zerbrochenes Hakenkreuz in ihrem Emblem. „Und warum“, fragt er, „darf die Fifa in ihren Fanguides zur WM ungestraft das Hakenkreuz im Verbotsschild verwenden?“ Einzig von einem Plattencover und ein T-Shirt des Punkrockband Schleimkeim – Motiv: Hitler vor einer NS-Standarte und der Aufdruck „Drecksau“ – distanziert sich Kamm.

Juristisch ist das Thema umstritten. Im Frühjahr wurde ein Tübinger Student, der einen Button mit dem Hakenkreuz im Verbotsschild trug, vom dortigen Landgericht freigesprochen. Im niedersächsischen Stade jedoch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Teilnehmer einer Anti-NPD-Aktion. Auch hier lautet der Vorwurf: Verstoß gegen das Strafgesetz. In Stuttgart plädiert der Staatsaanwalt für eine Verurteilung. Die Abbildung der Hakenkreuze geschieht aus seiner Sicht nicht zu dokumentarischen Zwecken, wie Paragraph 86a ausdrücklich erlaubt, sondern aus Gewinnstreben. Auch das sogenannte Mach-mit-Männchen, das ein Hakenkreuz in den Mülleimer wirft, ist für Bernhard Häußler nicht eindeutig. Seine Forderung daher: 120 Tagessätze à 50 Euro. Damit wäre der Winnender Geschäftsmann vorbestraft.

Jürgen Kamm und seine Anwälte halten dagegen: Für sie ist die Bedeutung eines Verbotsschilds auch international nicht erklärungsbedürftig. Ein zerschmettertes Hakenkreuz ist für sie keine Verherrlichung der NS-Zeit. Der Spruch „Fick heil!“ auf einem T-Shirt allenfalls geschmacklos. Einen Freispruch fordern sie jedoch auch nicht, denn bei dem Plattencover geben sie der Staatsanwaltschaft recht: Es ist mißverständlich. So wie dies Schild auch:

1ascheishund.jpg

Empörung bei Politikern

Für Richter Küllmer und seine Beisitzer war das Ganze nicht so einfach. Das Urteil: 3600 Euro Geldstrafe. In der massenhaften Verbreitung der durchgestrichenen Hakenkreuze sah das Gericht einen Verstoß gegen die Schutzbestimmung des Paragraphen 86a und folgt damit der Argumentation des Staatsanwalts. Verwunderlich nur, dass dieselben Richter genau diese Beweisführung juristisch zerfetzten und erst auf Anweisung des Oberlandesgerichts (aber immerhin) den Fall annahmen.

Kamm legt Berufung beim Bundesgerichtshof ein. „Wenn mich die Begründung des Urteils auch schockt, so bin ich doch ein wenig froh, denn nun haben wir es selbst in der Hand, Rechtssicherheit für uns und viele andere Antifaschisten im Land zu schaffen.
Bei SPD und Grünen stieß das Urteil auf scharfe Kritik. Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Justiz „rechtsblinden Autismus“ vor und bezeichnete das Urteil als „skandalös“. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, auf dessen Internetseite sich ein durchgestrichenes Hakenkreuz befindet, sprach von einem „Schildbürgerstreich der Justiz“. SPD-Vize Ute Vogt kritisierte die Entscheidung als „nicht nachvollziehbar“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen bewertete das Urteil als „herben Schlag für alle, die sich gegen Rechts engagieren“. Und, zu schlechter Letzt muss die Frage an den agierenden Staatsanwalt erlaubt sein, ob mit der Vernichtung solcher gegen den Faschismus eingesetzten Symbole auf Hemden, Buttons und sonstigem Antihakenkreuzkram es vielleicht in der Tat genau und eben nur darum ging – um deren Vernichtung. Wir haben uns Buttons gekauft. Die in Stuttgart von im Namen des Volkes anklagenden und richtenden, Urteilsprechenden Robenträger waren – zwar – zur allgemeinen Belustigung des Publikums in diesem schwäbischen Prozeß beizutragen in der Lage. Hinterdenkt man diese Zitate hingegen, kann einem Angst und Bange werden.

1933 zwangen die Nazis John Heartfield zur Emigration, erst nach Prag, dann nach London. Auch im Exil fertigte er unermüdlich antifaschistische Kunst, so 1934 die Collage „Wie im Mittelalter, so im Dritten Reich“, für die er sich vom „Geräderten“ an der Tübinger Stiftskirche inspirieren ließ. In den fünfziger Jahren kehrte Heartfield nach Deutschland zurück, wurde Professor an der Berliner Kunstakademie. Er starb 1968 in Ost-Berlin.

Ob sich John Heartfield, lebte er noch, auch vor deutschen Amtsgerichten verantworten müßte?

Und würden ihm Staatsanwälte im Sinne eines Oberstaatsanwalts Michael Pfohl ebenfalls vorhalten, dass „japanische Touristen“ seine Montagen womöglich mißverstehen? Des Staatsanwaltes und des Richters ja schließlich aber auch mit dem Munde des Volkes gesprochen Urteile, sind nur bei schlechtestem Willen mißzuverstehen. Eigentlich, also aber lustig sind sie nicht. Zitate daraus:

„Im Fall des Fan-Guides wird das durchgestrichene Hakenkreuz „sozial adäquat“ verwendet. Es besteht daher kein Verdacht auf eine strafbare Handlung“.
„Stuttgart ist nicht Tübingen, wir haben hier eine andere Rechtsauffassung.“
„Ein Hakenkreuz im Verbotszeichen ist nicht eindeutig.“
„Bei dem „Mach mit“ Männchen ist nicht klar ersichtlich ob das Hakenkreuz in die Mülltonne geworfen wird oder aus dieser herausgenommen wird.“
„Ein „Normalbürger“ würde sich solch einen Button nicht ans Rever heften.“
„Wir wissen, dass wir die Falschen bestrafen!“

Hakenkreuz-Urteil: Ob auch Heartfield vor den Kadi müßte?

In einem grotesken Urteil hat das Tübinger Amtsgericht gerade gegen einen 21-jährigen Studenten eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgeprochen. Der junge Mann hatte bei einer Demonstration gegen das Tübinger Maisingen einen Button mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz am Rucksack getragen.
Muss man auch für diese Graphik in alter Heartfield-Tradition künftig vor Gericht erscheinen?
Mit dem Urteil wird rückwirkend auch ein antifaschistischer Künstler diskreditiert, der das Hakenkreuz-Symbol bewußt im Kampf gegen den Nazi-Terror eingesetzt hat: John Heartfield, dem 1991 eine große Ausstellung in der Tübinger Kunsthalle gewidmet war. 1891 als Helmut Herzfelde geboren, entwickelte er in den zwanziger Jahren im Kreis Berliner Dadaisten die Kunst der Fotomontage, um mit ihr als satirischem Ausdrucksmittel politisch-soziale Missstände anzuklagen.

1930 wurde Heartfield ständiger Mitarbeiter der „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“, in der die berühmtesten seiner Collagen erschienen sind. Fast alle standen im Dienst des Kampfes gegen den heraufziehenden und schließlich zur Macht gekommenen Nationalsozialismus. Dabei verwendete Heartfield ohne Scheu Bilder von Nazi-Oberen wie Hitler und Goebbels und natürlich auch deren Symbole wie das Hakenkreuz. 1938 schrieb Ernst Bloch über Heartfields Methode: „Sie greift hinein ins volle Nazileben, mit der Feuerzange, wie es sich gehört.“ Wie wohl hätte Heartfield auf solch idiotische Utrteile reagiert ?

1933 zwangen ihn die Nazis zur Emigration, erst nach Prag, dann nach London. Auch im Exil fertigte er unermüdlich antifaschistische Kunst, so 1934 die Collage „Wie im Mittelalter, so im Dritten Reich“, für die er sich vom „Geräderten“ an der Tübinger Stiftskirche inspirieren ließ. In den fünfziger Jahren kehrte Heartfield nach Deutschland zurück, wurde Professor an der Berliner Kunstakademie. Er starb 1968 in Ost-Berlin.

Das muss gefragt werden dürfen: Ob sich John Heartfield, lebte er noch, nun auch vor einem Amtsgericht wüdr verantworten müssen?

Und würde ihm Oberstaatsanwalt Michael Pfohl ebenfalls vorhalten, dass „japanische Touristen“ seine Montagen womöglich mißverstehen?

1astiftskirche-220.jpgAnscheinend wird hier auch unterschiedlich geurteilt. Gegen einen Punk-Versandhändler kann man es ja machen. Daß die Fifa während der Weltmeisterschaft an Fanmeilen und in Stadien eben das gleiche durchgestrichene Hakenkreuz anbrachten, schien keinen Staatsanwalt zu interessieren. Und hier gab es zuhauf “Unbefangene” und “Ausländer”.

Vermutlich wird als “Abfallprodukt” dieser Entscheidung bald eine neue Abmahnwelle heranrauschen, die jede Webseite treffen wird, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz zeigt. So hat wenigstens die Juristenzunft wieder Arbeit.
Eine endgültige Entscheidung in dem bundesweit beachteten Fall muß voraussichtlich der Bundesgerichtshof (BGH) treffen. Dachau, Gott sei Dank, ist ja nicht mehr in Betrieb … got

„Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Dachau kumm“

Hitler und sein Chauffeur fahren übers Land. Auf einmal bumm! ein Aufprall! Sie haben ein Huhn überfahren. Hitler zum Chauffeur: „Wir müssen es dem Bauern melden. Lassen Sie mich mal machen, ich bin der Führer, er wird es verstehen“. Nach 2 Minuten kommt Hitler angerannt und hält sich den Hintern – der Bauer hat ihn verdroschen. Die beiden fahren weiter. Doch plötzlich bumm! platsch! wieder ein Aufprall! Sie haben ein Schwein überfahren. Hitler zum Chauffeur: „Diesmal gehen aber Sie zum Bauern!“. Der Chauffeur gehorcht dem Befehl, kommt aber erst nach ? Stunde wieder, vollkommen betrunken und mit einem Korb mit Würsten und Geschenken in der Hand. Hitler vollkommen erstaunt: „Ja mein Gott, was haben Sie dem Bauern denn gesagt?“ Darauf der Chauffeur: „Ich habe nur gesagt: Heil Hitler, das Schwein ist tot! – und da haben Sie mir diese Geschenke gegeben!“

Humor und Komik – in kaum einem Land dürfte es weniger Grund zum Lachen gegeben haben als in Deutschland zu Zeiten des Dritten Reichs. Aber auch heutzutage gibt es es noch- das einem im Halse steckenbleibende Lachen. Diese Gerichtsurteile beispielsweise. Hoffen wir auf das Urteil des BGH.

„Rudolph Herzog Heil Hitler, das Schwein ist tot!
Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich“
240 Seiten, 12,1 x 21,3
Mit Fotos und s/w Abbildungen
Gebunden mit Schutzumschlag
€ 19,90
ISBN 3-8218-0773-3

Nota bene – oder: Weshalb mir gerade dies Buch (siehe Besprechung) eingefallen ist:

Kriminelle Vereinigungen

Die deutsche Justiz hat sich bekanntlich immer geweigert, die SS oder Einsatzgruppen als kriminelle Vereinigungen im Sinne des § 129 des Strafgesetzbuches zu behandeln, deren Mitgliedschaft allein schon strafbar ist, ohne dass dem einzelnen nachgewiesen werden muss, dass er noch andere Straftaten begangen, also selbst getötet oder Beihilfe dazu geleistet hat.

1ajustitia.jpgDas ist angesichts der Ermordung von sechs Millionen Juden und einer großen Zahl anderer Opfer sicher eine beachtliche juristische Leistung. Heuzutage wird diese Leistung solcherweise ergänzt, dass unter anderem zunehmend Hausbesetzer nach dieser Vorschrift behandelt werden.

§ 128 StGB stellt die Gründung , Mitgliedschaft oder Unterstützung einer Vereinigung unter Strafe, deren Zweck darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen. Dass Hausbesetzer darunter fallen können, hat der Bundesgerichtshof 1975 entschieden (Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1975, Seite 985) – Ich werde mich hüten, zu meinen, die Justiz wäre damals wie heute blind. Ist es doch Justitia, die das ist …

Jürgen Gottschling

Wenn Sie sich über diesen Beitrag gewundert haben sollten: er war bereits in der Rundschau am 15. Nov. 2010 erschienen. Erfreulicher Weise hat sich in der Zwischenzeit doch manches verändert. Sich aber daran zu erinnern, was damals noch alles möglich war – dachte ich – kann nicht schaden. Eben drum …

Okt 2023 | Allgemein, Buchempfehlungen, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren