Früher traf man sich unter der Linde am Brunnen vor dem Tore. Seit 40 Jahren trifft man sich in der Destille rund um den Akazienbaum – jedenfalls im Herzen der Heidelberger Altstadt.
Das Spektrum der Gäste ist bunt, wie die Bilder an der Wand, vielfältig wie das Angebot der Getränkekarte. Nicht nur Liebende von achtzehn bis achtzig, auch Existenzgründer, Zeitungsmacher, Stadtpolitiker, Künstler, Studenten und Professoren treffen sich hier zum Konsumieren, zum Entspannen, zum Plaudern.
Immer geht es um Begegnung, auch mit der Kunst, zwanglos und unkonventionell beim Bier, jedoch ohne Bier-Ernst. Seit 1986 machen Ausstellungen das Kneipenleben kunstvoller. Bereits elfeinhalb Jahre später wurde „die 100ste“ gefeiert – dank des nimmermüden Einsatzesdes des langjährigen Geschäftsführers Eckart „Pio“ Piotrowski, der mit dem Besitzer Hans-Dieter Stendel das Destille Konzept „Kunst & Kneipe“ entwickelt hat.
Maler aus Argentinien, China, Iran, Israel, Jemen, Kanada, Kroatien, Nepal, Polen Russland, Tschechien und den USA stellen hier aus und brachten viele Stilrichtungen von traditioneller Volkskunst bis zur Informel unters Kneipenvolk.
Die Erfolgsbilanz der „Tree-Bar“, wie Amerikaner die Destille nennen, stellt die einer jeden anderen Dorflinde in den Schatten! Auf die nächsten 40! Kalle
Ein Stammgast trinkt sein Bier,
wenn möglich,
in seines Stammes Kneipe täglich;
vor allem dort, wo jedermann
den Stamm buchstäblich sehen kann.
So einem, von gewalt´gem Maße,
den weiß ich in der Unt`ren Straße;
als Mittelpunkt von der Idylle
steht dieser Baum in der Destille.
Heut´jährt sich ganz genau der Tag,
an dem ich ihn 15 Jahre mag.
Und jeder Jahresring hat auch,
ein Gegenstück um unsern Bauch.
Und denen, die den Baumstamm hegen,
gilt unser Dank und Säufersegen.
Ein dreifach „Prost“ auf die Promille,
auf Baumstamm, Wirt und die
Destille. Dr. Dieter u. a.
In unserem Sprachraum sind Bäume Zeichen der Beständigkeit. Alt werden sie und wenn man an sie denkt in der Nacht, dannn ist man um den Schlaf gebracht – was auch gut in der Destille gelingt.gelingt, wo Kais – den wir hier zum 40ten der Destille zu Wort kommen lassen wollen – Baum der Beständigkeit steht:
„Ich weiß nicht genau wie viele Generationen von Bedienungen diesen Baum schon verflucht haben. Natürlich im besten Sinne einer Liebe, die Schwierigkeiten macht.Er nimmt einfach so viel Platz weg! Die Mittagsschichten waren OK“ (Kai hat hier im zarten Alter von 19 Jahren zwischen Schule und Zivildienst hinterm Destille-Tresen gestanden), „im Putzbetrieb immer drum rum, aber am Abend? Teilweise zu Dritt um den Baum rum, damals immer einer am Boden hockend um die LPs (!) aus den zherfransten Hüllen zu suchen und nass abzuspielen, derweil einer mit einer vorsintflutlichen GAGGIA – die besser in ein italienisches Café gepasst hätte, Kaffewünsche zu befrieigen versuchte. Was hat der Baum nicht alles gesehen. Ja, was eigentlich? Nehmen wir mal für einen Augenblick an, ein Stammgast aus den 70er Jahren käme heute in die Destille. Würde er sie wiedererkennen, so einfach sich zu Hause fühlen?“ (Manfred Lautenschläger hat sie wiedererkannt) „Nun, der Baum ist noch da, und ich erinnere mich an ein Quiz, das Dieter mal ins Leben gerufen hat. Gerade hatte er die Kneipe für einige zehntausend D-Mark umgebaut, jedoch konnte man nichts sehen! Das hat ihn mächtig geärgert. Oder doch? <Never change a running system> wie wir in der Softwarebranche zu sagen pflegen, aber: Dieters Quizpreisfrage: was haben wir alles verändert in der Destille? Keiner hat alles gefunden!
So wäre es auch sicher noch heute. Die Destille hat ihren Charakter bewahrt, trotz vieler Umbauten in all den Jahren. Verschwunden die Holzkübellampen, Wandschmuck wurde zu Tischen, Kunstausstellungen etabliert und ungefähr eine Million andere Sachen. Hat die Suche nach der optimalen Kaffeemaschine nun im Zeitalter von Nespresso ein Ende gefunden?
Der Baum wird geschmückt, oft und gerne, Anfangs im Rhytmus der Jahreszeiten, heute zu jedem Anlass. Er wurde als Thema bemalt, von vielen Künstlern in eigenen Baumausstellungen – oder einfach nur so … Steckt eigentlich in dem Wort Stammkneipe das Wort Stamm? Baumstamm. Das würde sie vielleicht erklären,die Sache mit dem Baum.
Natürlich durfte Fritz Neidlinger mit seinen Freunden – und dem „Altstadtboogi“ – nicht fehlen: „Babbe guck, do vorne liegt n Kippe, Babbe guck, sunsch issa fort. Die Destille bleibt! Da kann, wer mag, noch so lange nicht gucken …
28.Sep.2010, 14:50
Allerherzlichste Glückwünsche von einem, der ganz am Anfang mit dabei war! Jan („Hanse“)